das Bild der Arbeitslosen

Vor Kurzem sind wir bei der Arbeit beim Mittagessen  über das Thema „Arbeitslosigkeit“ gestolpert. Wir sind ein internationales Team, da sind solche Themen immer auch eine Art Erklärung wie gewisse Abläufe in der Schweiz funktionieren. Während unsere ausländischen Mitarbeiter erstaunt über die hohen Leistungen waren, war ich sehr verwundert über das Bild der Arbeitslosen, welches die beiden anderen Schweizer am Tisch hatten. Als ich meine Erfahrungen über meine arbeitslose Zeit und die Fehler im System (aus meiner Sicht) berichtete erhielt ich doch sehr überraschende Antworten…

Die beiden sind beide ca 10 Jahre jünger als ich und der eine hatte indirekt auch schon mit Arbeitlosigkeit zu tun, weil er eine Verwandte in der selbern Situation unterstütze.

Bei beiden fiel mir ein tiefes Misstrauen gegenüber Arbeitslosen auf. Es gab Aussagen wie „von 100 Menschen wollen doch 80 nichts machen“, „2h pro Arbeitsweg ist doch kein Problem! Die sollen so schnell wie möglich wieder arbeiten“ und wenig später „ich will die doch nicht finanzieren!“.

Meine Argumente, unter anderem dass das aktuelle System Missbrauch aber nicht verhindere und diese Unmengen an Bewerbungen ein Problem seinen wurden zwar auf eine gewisse Art bestätigt, der Vorschlag damit umzugehen war aber folgender: „Das ist doch ganz einfach. Du verschickst einfach ein paar Standardbewerbungen um dein Soll fürs RAV zu erfüllen und konzentrierst dich auf 1, 2 Stellen welche du wirklich willst.“ Wie bitte?!

Ich verstehe nicht ganz woher dieses schlechte Bild der Arbeitslosen bei den Jüngeren kommt. Vor allem auch die Haltung ein schlechtes System nicht verbessern zu wollen sondern es als Gut zu verteidigen, bei den bekannten Problemen dann aber einfach „zu tricksen“ (was wiederum genau das Verhalten wäre, was ja eigentlich ihren Ansprüchen an die Arbeitslosen widerspricht). Während ich beim einen die eher bürgerliche Herkunft im Verdacht habe, kann ich mir beim anderen das nicht wirklich erklären.
Kann es sein, dass sich die Gesellschaft innerhalb von 10 Jahren so verändert hat, weil Leistungsdruck und ökonomische Aspekte immer wichtiger geworden sind? „Wirtschaftliche Optimierung“ in jeder Lebenslage?  Oder ist es nur jugendliche Unerfahrenheit gepaart mit den Vorurteilen durch die hauptsächlich negativen Beispiele in den Medien?

Eine nicht-repräsentative Umfrage mit nur einem Befragten (meinem Bruder 😀 ) in der selben Altersgruppe rückte mein Weltbild nur kurzfristig wieder zurecht… in seinem beruflichen Umfeld seien die Aussagen dieser Altersgruppe oft noch viel härter.

Eigentlich wünsche ich ja (fast) niemandem etwas schlechtes… aber vermutlich muss man gewisse Dinge selber einmal erlebt haben um Missstände wirklich zu verstehen. Trotz meiner eher sozialen Einstellung musste ich es ja auch zuerst einmal durchmachen, hatte ich davor doch eigentlich keinen blassen Schimmer von Arbeitslosigkeit….

  1. Ich vermute, dass du das „Problem“ richtig analysiert hast: es liegt am Alter, an der fehlenden Lebenserfahrung. Deine Kollegen andere junge Leute mit anständiger Ausbildung glauben, dass ihnen so etwas wie Arbeitslosigkeit nicht passieren kann. Und die Arbeitslosen, die sie kennen, dürften halt genau die sein, die in der Schule nicht viel konnten und folglich eben keine gute Ausbildung machten, weil sie keine Chance darauf hatten.
    Ich bin aber sicher, dass genau die jungen, gut Ausgebildeten diejenigen sind, die am meisten reklamieren, wenn sie die RAV-Auflagen am eigenen Leib erfahren.
    Und dass der Beschiss, den sie sich jetzt ausmalen, gar nicht so einfach zu bewerkstelligen ist… Abgesehen davon ist es ja wirklich ein Hohn, dem Gros der Arbeitslosen Faulheit und Unehrlichkeit zu unterstellen, um dann im nächsten Atemzug die Hintertürchen zu benennen, die man im Falle eines Falles benutzen würde… Aber eben, Differenzierung und Reflektion kommt normalerweise erst jenseits der dreissig. Vorher „darf“ man unter dem Label „jugendlicher Unsinn“ die strübsten Meinungen vertreten 😉

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